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Legau's Käfersammlung

Von Axel Baumgart

 

Wenn es zufällig 'mal gerade nicht regnete in Bregenbrett spielte Legau am liebsten im Wald hinter dem Haus von seinen Eltern. Am schönsten war es dort, wenn der Regen gerade aufgehört hatte. Dann roch der ganze Wald ganz frisch, fast wie ein neuer Wald. Aber das war nicht der Grund, weswegen Legau dort so gerne spielte. Nach einem Regen gab es dort ganz besonders viele und schöne Käfer. Es gab immer wieder Käfer, die Legau noch nicht kannte. Legau liebte es, jeden Stein umzudrehen, hinter jedes Blatt zu schauen und jedes Grasbüschel zu durchsuchen. Immer, wenn er einen Käfer fand, nahm er eine kleine Schachtel aus seinem Rucksack und packte den Käfer hinein. Er hatte eine ganz besondere Ordnung in seiner Käfersammlung: Die gelben Dosen waren für die Schnellkrabbler, die blauen für die Bauchkriecher, die roten für die Käfer mit Hörnern auf dem Kopf, die grünen für Käfer mit mehr als 6 Beinen, Käfer mit Flügeln kamen in die dunkel-grünen Dosen und so weiter. Am meisten mochte er die roten Dosen mit den blauen Streifen. Da waren alle Käfer drin, die bunte Punkte auf dem Rücken hatten.

 

Legau hatte sehr viele Dosen in ganz vielen Farben und Mustern. Er liebte es, Käfer zu sammeln, und noch schöner war es, seine Käfersammlung von Zeit zu Zeit bei Regen zuhause anzuschauen und die Käfer zu füttern. Heute war wieder so ein Käfersammlungs – Betrachtungs – und – Fütterungs – Regen - Tag. All die bunten Dosen waren auf dem Boden vor seinem Bett verteilt. Sie sah so toll aus, seine Sammlung. Als er die ganzen Dosen auf dem Boden betrachtete und immer 'mal wieder eine aufmachte, um die Käfer etwas genauer zu untersuchen und zu füttern, hatte er die Idee, dass er seine Sammlung ja neu sortieren könnte. Außerdem könnte er auf jede Käferdose ja auch draufschreiben, wann und wo er die einzelnen Käfer gefunden hatte. Lange überlegte er wie er es am schlauesten machen könnte. Er hatte keinen Behälter, der groß genug gewesen wäre, um alle Käfer auf einmal hinein zu tun. Seine Hosentaschen waren auch zu eng, und der Rucksack war mit all den Sachen voll, die er immer dabei haben musste, wenn er aus dem Haus ging. Also kam Legau zu dem Entschluss, es sei am besten, sich einen genauen Plan zu machen, wie er seine Sammlung sortieren wollte, dann die Schachteln zu beschriften und dann die Käfer einfach in die neuen Dosen zu tun. Nach kurzer Zeit war der Plan fertig und Legau wusste ganz genau, wie seine Sammlung neu sortiert werden sollte. Als er die Dosen beschriften wollte, stellte er aber fest, dass es gar nicht so einfach war, mit den ganzen krabbelnden Käfern drin. Legau dachte kurz nach und legte dann aus seinem Malstiften einen großen Kreis auf den Fußboden und setzte alle Käfer in diesen Kreis hinein. Er begann, die Dosen zu beschriften. Er war noch nicht einmal mit der Hälfte der Dosen fertig, als seine Mutter zum Abendessen rief. Wenn er jetzt alle Käfer wieder in die Dosen packen würde, müsste er sie nachher wieder alle auspacken. Aber vielleicht wurde er ja noch fertig. Legau schrieb jetzt schneller. Die Mutter rief wieder, und immer noch waren so viele Dosen übrig. "Leeeegauuuuuu ....." Ui, Ui, Ui, das war schon lauter und klang auch ganz nah. Schell rief Legau "Komme schon..." und schrieb weiter. "LEGAU!" Er wusste, wenn er jetzt nicht ging, gab es Ärger. Er stand auf, schaute noch einmal auf den Boden und dachte:" Die Käfer werden schon nicht aus dem Kreis rauskrabbeln. Ich habe ihn doch extra hingelegt.", und ging zum Abendessen. Er aß so schnell er konnte, obwohl seine Mutter ihn mehrmals ermahnte, langsam zu essen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er wieder auf sein Zimmer durfte. Dort kam dann der riesige Schreck: Nicht nur die Käferdosen waren leer, sondern auch der Buntstiftkreis auf dem Fußboden. Genau genommen war auf dem ganzen Boden kein einziger Käfer zu sehen. Turnschuhe, Socken, Spielzeug, Würfel, ja, alles lag herum. Aber Käfer sah er keine. Wo waren sie nur hin? So sehr er auch suchte, was die Unordnung nur vergößerte, er konnte die Käfer nicht finden. Legau war traurig. Seine schöne Sammlung.

 

In Gedanken immer noch bei seinen Käfern, bzw. seinen nicht auffindbaren Käfern, schlief Legau schließlich ein. In dieser Nacht träumte Legau davon, dass er in einem Wald war und Käfer fand und sammeln konnte, die noch nie ein Mensch vor ihm gesehen hatte. Er träumte so intensiv, dass er im Traum sogar das Krabbeln der Käfer spüren konnte. Leider rief seinem Mutter ihn im Traum zum Essen. Immer lauter wurde das Rufen. Und jetzt schien es auch, als ob der Wald wackeln würde. Seine Mutter hatte Legau's Schultern gefasst und schüttelte ihn, bis er wach war. Als Legau die Augen aufgemacht hatte und richtig wach geworden war, merkte er, dass er von Käfern geträumt hatte, aber dass das Krabbeln echt gewesen war. Im ganzen Bett waren überall Käfer, auch auf dem Fußboden, auf den Regalen und am Schrank, die Käfer hatten sogar den Weg unter der Türe hindurch bis ins Schlafzimmer der Eltern gefunden. Kurz: Die Käfer waren überall im Haus. Legau hätte das bestimmt ganz doll lustig gefunden, wenn seine Eltern nicht so böse geguckt hätten. Er konnte in den Gesichtern ganz deutlich sehen, dass sie sich nicht so freuten, dass Legau wieder wusste, wo seine Sammlung war. Im Gegenteil, sie schienen sehr ärgerlich zu sein, dass die Käfer nun im ganzen Haus rumkrabbelten.

 

Richtig ärgerlich wurden sie aber erst, als sie merkten, wie schwer es war, die Käfer wieder einzufangen. Es dauerte Tage und viele Nachbarn aus Bregenbrett mussten in dem kleinen Haus helfen, um die Käfer hinter Schränken, unter den Betten, aus dem Kühlschrank, aus den Lampenschirmen und Gardinen, ja sogar aus den Schuhen und der Unterwäsche aufzusammeln und wieder im Wald auszusetzen. So sehr Legau auch bat und bettelte, er durfte keine Käfersammlung mehr im Haus haben. Aber sein Vater hatte ihm versprochen, mit ihm so oft wie möglich nach einem Regen in den großen Wald hinter dem kleinen Haus zu gehen, um die Käfer dort anzuschauen, wo sie sich am wohlsten fühlten: Im Gras, auf Blättern und unter Steinen, einfach draußen in der Natur und nicht in kleinen Dosen und Schachteln. So kam es, dass Legau die größte Käfersammlung überhaupt hatte: Den ganzen Wald!

 

FFM, 08.09.2004 AB

 

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